Trotz Schüchternheit aufs Festival?  

Festivals sind DIE Gelegenheit, um Kontakte zu knüpfen und mit interessanten Leuten ins Gespräch zu kommen. Manch einem beschert die Vorstellung an diese Menschenmengen jedoch Angst, nicht gut anzukommen oder nicht interessant gefunden zu werden. Schüchternheit und Kontaktscheue machen aus einem aufregenden Event einen Horrortrip. Mit einigen Tipps kann man jedoch seine Schüchternheit überwinden und das Event genießen.

Ursachen verstehen: Mangelndes Selbstwertgefühl und Scham  

Schüchternheit entsteht durch eine verzerrte Selbstwahrnehmung, nämlich

Überbewertung der eigenen Bedeutung für das Umfeld

Man denkt bei allen Handlungen und Äußerungen darüber nach, wie diese bei den umstehenden ankommen und beobachtet die Reaktionen äußerst genau. Zurückweisungen und jegliche Handlung, manchmal sogar nur die Mimik und Gestik des Gegenübers werden auf die eigene Person bezogen und beeinflussen damit direkt das Selbstwertgefühl.

Unterschätzung der eigenen Persönlichkeit

Hierunter fallen die Gedanken, nicht interessant genug zu sein, sich bestimmt zu blamieren oder einfach kein gutes Gespräch führen zu können. Diese negativen Gedanken lösen Unsicherheit  und werden häufig noch durch Schamgefühle verstärkt.

fehlende soziale Kompetenzen

Sobald man das verstanden hat, kann man gegen das Problem angehen und seine Schüchternheit überwinden.  Soziale Kompetenzen können trainiert und das Selbstwertgefühl gestärkt werden.

Bei manchen Menschen ist die jedoch Schüchternheit so stark ausgeprägt, dass man schon von sozialer Phobie spricht. In diesem Fall wird man durch seine Ängste vollständig blockiert und zeigt extremes Vermeidungsverhalten, in dem man beispielsweise das Haus kaum noch verlässt.  Leidet man unter sozialer Phobie sollte man in jedem Fall einen Therapeuten aufsuchen.

6 Tipps, um Schüchternheit zu überwinden

Einige Strategien haben sich zur Überwindung der Ängste bereits bewährt:

Negative Gedanken umwandeln

Die Gedanken, uninteressant zu sein, nicht gut anzukommen oder die Vorstellung davon, was im schlimmsten Fall passieren könnte, wenn man jemanden anspricht (Worst-Case-Szenario), blockieren. Diese Gedanken sollten in kraftvolle, beruhigende Glaubenssätze umgewandelt werden. Zuallererst muss man sich bewusst machen, dass

  • andere Menschen ebenfalls Vorurteile und Ängste haben oder Situationen falsch einschätzen können
  • jeder mal einen schlechten Tag haben kann: Eine Zurückweisung ist nicht immer gleichbedeutend mit der Zurückweisung der eigenen Person.
  • Fehler oder ein misslungener Gesprächsstart kein Beinbruch sind – Fehler sind menschlich!

Negative Gedanken mit „Ich kann nicht/ Ich bin nicht…“ können umgewandelt werden in „Wenn ich will, könnte ich…/ Ich bin dafür aber (einfühlsam, ein guter Zuhörer, etc.)“.  Diese Affirmationen sollten ein ständiger Begleiter werden, denn sie zeigen erst Wirkung, wenn sie dauerhaft angewendet werden. Das Glaubensmuster, nicht gut genug zu sein, sitzt meistens sehr tief und muss erst einmal umprogrammiert werden.

Mit Einfühlungsvermögen punkten

Schüchterne Menschen sehen oft nur ihre Schwächen (wie z. B. die Schwierigkeit, mit jemandem ins Gespräch zu kommen). Dabei verfügen sie genauso über persönliche Stärken, die sie dafür einsetzen können, Kontakte zu knüpfen.

Schüchterne Menschen

  • denken i. d. R. nach, bevor sie sprechen. Das macht sie zu einem gutem Gesprächspartner, der bedacht und reflektiert antwortet
  • sind gute Zuhörer
  • verfügen über ein gutes Maß an Einfühlungsvermögen

Diese Stärken kann man nutzen, indem man den Fokus von sich weg auf den Gegenüber verschiebt, z. B. indem man ihm Fragen stellt. Wichtig hierbei: Offene Fragen stellen, auf die keine Ja- oder Nein-Antwort möglich ist. So wird das Gespräch lebendig gehalten und man erfährt zugleich mehr über den Gesprächspartner.

Ein Schritt nach dem anderen

Der Aufbau eines gesunden Selbstwertgefühls passiert nicht von heute auf morgen. Und man wird auch nicht über Nacht zum Kommunikationsgenie. Kleine Erfolge sind wichtig und sollten in Erinnerung behalten werden. Aber auch Rückschläge sind nicht schlimm, denn daraus kann man für die Zukunft lernen. Niederlagen verkraften zu können, gehört für den Aufbau des Selbstbewusstsein außerdem dazu.

Der Sprung ins kalte Wasser

Ängste überwindet man am besten, wenn man sich ihnen stellt und sich in die angstbesetzte Situation hinein begibt. Festivals  beispielsweise haben auch für schüchterne Menschen Vorteile: Man genießt Anonymität. Man kann sich ausprobieren, unterschiedliche Menschen ansprechen und auch mal einen Korb kassieren, ohne dass das weitere Auswirkungen hat. Denn in den meisten Fällen sieht man die Person danach nie wieder.

Darüber hinaus teilt man mit allen anderen Festivalbesuchern bereits eine Gemeinsamkeit, und zwar das Interesse an „Thema“ und Ausrichtung des Festivals. Auch damit kann man gut ins Gespräch kommen, denn Gemeinsamkeiten verbinden bekanntlich.

Üben, Üben, Üben!

Man muss nicht auf eine Großveranstaltung warten, um seine Kommunikationsfähigkeit zu trainieren und den Kontakt zu anderen Menschen zu suchen. Im Alltag bieten sich ständig gute Gelegenheiten, im Bus, beim Einkaufen, beim Spazierengehen usw. Man sollte versuchen, so oft wie möglich auf sein Umfeld zuzugehen und ein Gespräch zu beginnen. So sammelt man schnell Erfolge und lernt auch, mit Misserfolgen umzugehen. Kleine Erfolge tragen auch sehr gut zu einem starken Selbstwertgefühl bei.

Verhaltenstherapie

Um langfristig seine Schüchternheit zu überwinden, braucht es Disziplin, Durchhaltevermögen und eine beständige Selbstreflexion. Manch einer hat schon zu früh aufgegeben und sich von Rückschlägen entmutigen lassen. Deshalb kann es auch bei leichteren bis mittelschweren Ausprägungen von Schüchternheit ratsam und hilfreich sein, einen Therapeuten aufzusuchen. Die Hilfe eines Therapeuten kann sich von der klassischen Verhaltenstherapie bis hin zur einfachen Beratung, Bestärkung und Motivation erstrecken. Manchmal hilft es schon, mit jemandem über seine Probleme und Ziele zu sprechen, der Verständnis und Fachwissen in das Gespräch einbringen kann.

In einer Psychotherapie bzw. gemeinsam mit dem Therapeuten werden zum Beispiel neue Denk- und Verhaltensmuster erarbeitet, negative Glaubenssätze umgewandelt, neue Wertmaßstäbe erarbeitet und das Selbstbild reflektiert.

Schüchternheit kann man ablegen!

Ein Festival besuchen, eine Party veranstalten, ins Einkaufszentrum gehen – das alles muss kein Ding der Unmöglichkeit für kontaktscheue oder schüchterne Menschen sein. Man kann die Schüchternheit überwinden, wenn man konsequent die genannten Tipps anwendet oder sich Hilfe bei erfahrenen Verhaltenstherapeuten sucht. Wer sich unsicher ist, ob er es alleine schafft, kann zumindest ein Beratungsgespräch bei einem Therapeuten in Anspruch nehmen.

Weitere Informationen zum Thema Schüchternheit: